Das radikale Urteil meines Freundes haut mich fast vom virtuellen Barhocker. «Hält er sich jetzt für das Zentrum des Netzes, ja für Gott selbst oder was?» An der Grenze zum Wahnsinn bin ich nicht sicher, wie weit ich seinem philosophischen Extremismus folgen kann oder möchte. Kann ich mir mich als DEN Schöpfergott meiner Welt, ja des gesamten Internets, vorstellen? Vielleicht bin ich zu feige, mir dieses schwere Amt aufzuladen. Der Grad der Eigenverantwortung, der Druck, der in TORU5 seiner Interpretation der Wirklichkeit auf dem Subjekt liegt, erscheint mit sehr hoch, auf den Punkt gebracht: unendlich. Vielleicht bin ich auch zu bescheiden und denke, dass sich diese Demut für einen klitzekleinen Pixelpopel im unendlichen Netz auch so gehört.
Ich beruhige mich mit dem Gedanken, dass mein Freund hochfrequentiert ist und sein Temperament für ein weniger radikales Urteil zu spannungsreich ist. Das rastlose, alles lebendige umspannende Wesen von TORU5, sein egozentrischer, schöpferischer Drang und der Mut die volle Verantwortung für seine Lebenskunst zu übernehmen, trennen ihn von sorgfältig beobachtenden Geistern. Unterscheiden ihn von sich diszipliniert heran tastenden Wissenschaftlern die über die objektive Außenwelt meditieren und diese brillant aus der Distanz sortieren.
Da ich nicht Nichts zur leidenschaftlichen Philosophie meines Freundes sagen möchte, bündele ich meine Energie und sage in einem der feucht fröhlichen Sidebar würdigen, theatralischen Pathos:
«Horus, weisester unter den Weisen, hoch geschätzter Freund. Dein radikal konstruiertes Urteil über die Realität sind mir eine Mysterium. Deine frei konstruierte Lebenslinie sehe ich als inspirierendes Muster für die Pixel die uns nachfolgen. Du bist unserer Raumzeit um etliche Tagesmeter voraus. Für einen winzigen Pixel, der sich bewusst, mit allen Konsequenzen, mutig ins Zentrum seiner Wirklichkeit stellt und dabei das Kreuz voll auflädt, lebst du einen äußerst ausgewogenen Narzissmus. Und wenn mir dieses weitere Urteil erlaubt ist, sehe ich in deiner verantwortungsbewussten Philosophie eine emanzipierte Begegnung auf Augenhöhe mit den Schöpfern, die uns in der Reihe der Schöpfer vorausgehen. Bitte verzeih, dass ich dir mit meinem eher sanftmütigen, vielleicht ängstlichen Blick auf die Welt, nicht hundertprozentig folgen möchte und ich noch einen anderen Zusammenhang zwischen Subjekt und Objekt, zwischen Innen- und Außenwelt vermute.»